Die Cote D´Azur und die französischen Alpen

Schweren Herzens verließen wir am 5 Tag unserer „Tour de France“ Montpellier, um unsere Reise fortzusetzen. Montpellier hatte uns in seinen Bann gezogen und wie es schien, wollte die Stadt uns auch nicht mehr gehen lassen. Es war Wochenende und was wir als Feierabendverkehrschaos in Köln beklagen, schien geradezu lächerlich im Vergleich zu dem, was uns jetzt erwartet hatte. Unzählige Einbahnstraßen und Ampeln vollgestopft mit Autos in allen Farben. Die Abgase, die ach so herbeigesehnten warmen Temperaturen hochgepuscht durch die heißen Autos zu einer unerträglichen Hitze, machten nicht nur uns zu schaffen, sondern auch unseren Maschinen. Das Öl kochte in den Tanks und der Geruch von verbranntem Öl machte sich in unseren Nasen breit. Gefühlt wollte ganz Frankreich an diesem Tag an die Küste und ein Vorbeifahren an den Autos, war in den engen Straßen und bei dem Verkehr schier unmöglich. Unseren Plan an der Küste entlang zu fahren mussten wir verwerfen und wählten eine Alternativroute im Landesinneren über Arles und Salon-de-Provence. Endlich konnten wir die Maschinen wieder laufen lassen, welche uns die Abkühlung durch den Fahrtwind mit ihrem liebenswerten dumpfen blubbern dankten und auch unsere durch den Verkehr gereizte Stimmung verflog mit dem Fahrtwind und dem Duft der Provence, in welcher wir uns nun befanden. Wir waren guter Dinge, machten dann aber einen fatalen Fehler, denn jetzt wo alles wie am Schnürchen lief, überlegten wir uns einen Abstecher nach Marseille zum Harley Händler zu machen. Wenig später standen wir in einem sehr schönen Harely Laden in Marseille und wurden vom Inhaber sogar auf Deutsch begrüßt. Der erste Mensch nach 5 Tagen Frankreich, der Deutsch sprach und das war ausgerechnet der Harley Händler in Marseille. Unglaublich!

Nach einem netten Plausch machten wir uns wieder auf den Weg, hatten aber bereits weitere kostbare Zeit verloren und dazu kam, dass die Verkehrslage in Marseille der in Montpellier und an der Küste entsprach. Wir hatten die Repeat-Taste gedrückt, die Maschinen liefen erneut heiß und unsere wiedergefundene gute Laune löste sich im Abgas der Autos auf. Erst oberhalb von Marseille konnten wir wieder aufatmen und wurden mit einer Traumaussicht auf Marseille und das dahinterliegende Meer belohnt. Die Straße schlängelte sich durch die Landschaft und endlich kamen wir voll auf unsere Kosten – ja, genauso hatten wir uns das vorgestellt. Endlich lief es wieder, leider aber nur bis Toulon. Es gibt einfach Tage an denen ist der Wurm drin und genau so einen hatten wir wohl heute erwischt! Die Dämmerung setzte langsam ein und vor uns lagen noch weitere 200 km. Aurevoir St. Tropez, Aurevoir Cannes, Aurevoir Cap de Antibes, Aurvoir all die Orte, die ich so gerne auf dieser Tour sehen wollte. Es half aber alles nichts, denn es gab nur noch eine einzige Möglichkeit zu einer halbwegs christlichen Zeit in Nizza, wo unserer Unterkunft auf uns wartete, einzutreffen und die hieß: Autobahn!

Völlig erschöpft gingen wir gegen 22:30 Uhr mit unserem Gastgeber durch die großzügige alte Jugendstil-Villa mit fünf Schlafzimmer, zwei Bädern , einem großen Wohnzimmer sowie einer großen Küche, konnten die Informationen jedoch gar nicht mehr verarbeiten – zu anstrengend war der Tag gewesen. Im Kühlschrank stand für uns Wasser und eine Flasche Wein bereit und letztere war auch an diesem Abend leer als wir allesamt tot müde in unsere Betten fielen.
Wir saßen in dem kleinen Palmengarten unserer Jugendstilvilla gebeugt über unserem Kartenmaterial während uns unser Gastgeber ein leckeres Frühstück bereitete. Der Gedanke die Cote D´Azur zu verlassen ohne überhaupt etwas von ihr gesehen zu haben, stimmte uns traurig. Jetzt, wo wir doch schon mal so weit gekommen waren und zudem noch eine so schöne Unterkunft gefunden hatten, sollten wir unsere Sachen packen und direkt wieder aufbrechen? Nein! Die Villa konnten wir für eine weitere Nacht buchen und so blieben wir. Wir verbrachten einen wunderschönen Tag an der Cote D´Azur, besuchten das Hard Rock Café in Nizza, schauten uns Antibes an und fuhren zurück nach Cannes, um die berühmte Filmstadt zu sehen.

Von der Cote D´Azur ging es am siebten Tag unserer Reise direkt geradewegs in die französischen Seealpen. Der Col de Nice mit 412 Metern war noch recht klein, der Col de Braus mit 1002 Metern forderten mit etlichen Spitzkehren uns schon etwas mehr, aber bereits nach kurzer Zeit erreichten wir Sospel, ein hübschen kleines Städtchen inmitten der Berge. Hier passierte uns ein weiterer Fehler und zwar bei der Programmierung des Navis: Anstelle kurvenreich, gaben wir malerisch ein, was dazu führte, dass wir nicht links am Mont Bégo vorbeigeführt wurden, sondern rechts und einige Zeit später vor einer Ampel mit der Anzeige 12 Minuten Wartezeit landeten. Es war die Ampel vorm Col-de-Tende-Straßentunnel. 3182 Meter lang geht er unter dem Colle di Tenda, der die Grenze zwischen Frankreich und Italien bildet, durch. Erbaut wurde dieser 1882 als der erste Straßentunnel unter einem Alpenpass und seinerzeit der längste Tunnel der Welt. Heute wird der Tunnel im halbstündlichen Einbahnstraßenverkehr betrieben, womit sich die Ampel erklärte. Die Passstraße selber, die 1871 Meter hoch über den Colle de Tenda führt und über welche angeblich seinerzeit Hannibal mit seinen Elefanten gezogen ist, war für uns leider keine Option, da diese teilweise eine reine Schotterpiste ist.
Auf der anderen Seite des Col-de-Tende-Straßentunnel begrüßte uns nun also „Bella Italia“. Kurze Zeit später inspizierten wir bei original italienischem Espresso unsere Straßenkarten und legten eine neue Route fest, die uns über den Colle de Lombard zurück nach Frankreich bringen sollte. Die Auffahrt zum Colle de Lombard war kurvenreich und die Landschaft wunderschön. Leider kamen uns sehr viele Autos entgegen, so dass wir nur langsam voran kamen. Es schien ungewöhnlich, dass so viele Menschen den umständlichen Weg über den 2350 Meter hohen

Colle de Lombard nahmen, wo es doch gar nicht so unweit entfernt vom bequemen Col-de-Tende-Straßentunnel entfernt war. Die Erklärung folgte aber kurze Zeit später und es war nicht die bezaubernde Hochgebirgslandschaft, die sich hier bot, sondern der Wallfahrtsort Sant´Anna die Vinadio, der höchste Wallfahrtsort Europas, der die Leute in Scharen hierhin verschlug. Verpasst man nämlich die Abzweigung zum Colle de Lombard, landet man kurze Zeit später genau an diesem, wie wir feststellen mussten. Von hier aus führen nur noch Wanderwege weiter, insofern fuhren wir ein Stück zurück und fanden dann auch die Abzweigung zum Colle de Lombard. Wir kämpften uns durch die karge Region oberhalb der Baumgrenze hoch auf die 2350 Meter und wurden mit einer
unfassbaren Aussicht über die hochalpine Bergregion belohnt. Lange konnten wir jedoch hier nicht verweilen, denn wir hatten mittlerweile viel Zeit verloren und wir wussten, dass die Dunkelheit in den Bergen einen schnell überraschen konnte. Die Abfahrt lief wie von selbst und auch der Verkehr war gering, so dass wir relativ schnell den Wintersportort Isola auf 2000 Meter Höhe erreichten.

Hinter Saint-Étienne-de-Tinée sah ich schon von weitem das Schild „Col de La Bonette“. Unser Roadcaptain warf mir einen fragenden Blick zu und ich nickte ohne zu wissen, was uns jetzt erwarten würde. Noch ein Berg, das war schon klar, aber nicht, dass der „Col de La Bonette“ der höchste befahrbare Berg der Alpen ist. Auf 2800 Meter ging es in der Abenddämmerung hoch. Die Bäume verschwanden, ebenfalls die Wiesen und jegliches grün wurde durch grau ersetzt. Mit jedem Kilometer wurde es kälter und die Luft dünner. Genaugenommen ist es die Cima de la Bonette, die kurze Straße, die den Gipfel umrundet und nicht der Pass selber, die einen auf 2800 Meter Höhe bringt. Markiert werden diese durch einen Gedenkstein mit einer Tafel und genau an diesem parkten wir unsere Bikes. Eine atemberaubende Mondlandschaft machte sich vor
unseren Augen breit und die Ruhe und Stille dort oben zog uns alle in ihren Bann. Ehrfürchtig standen wir einfach nur da und blickten auf diese unbeschreibliche Schönheit der Natur.
Mit der untergehenden Sonne verließen wir den „La Bonette“ und erreichten gegen 21:30 Uhr Jausiers in absoluter Dunkelheit. Wir quartierten uns im erstbesten Hotel ein, dass uns lediglich ein Zimmer mit 3 Einzelbetten und einem Doppelbett anbieten konnte und saßen wenig später absolut dankbar im warmen Gastraum bei einer Mahlzeit, die uns der Koch auf die Schnelle noch gezaubert hatte. Ein unvergesslicher Tag für uns alle. Weiterlesen …