Mein Geburtstag
Am nächsten Morgen überraschte mich ein mit Herzchen hübsch gedeckter Tisch. Es war mein Geburtstag und irgendwie hatte Richy geschafft, dies dem Personal begreiflich zu machen. Als wir um 09:30 Uhr unser Gepäck zu den Bikes schleppen, sah das Wetter gar nicht gut aus und es war bitter kalt. Eine Deutsche Stimme, die erste in diesem Urlaub begrüßte uns. Es war ein junger Mann vom Personal, der dort als Jugendlicher immer zum Schüleraustausch war und irgendwann geblieben ist. Er machte uns Mut und sagte, dass es so kalt sei, weil ja immerhin auf 1000 Metern wären. Bis dato war uns das gar nicht klar gewesen. Aber er behielt Recht, zum Glück.
Lerab Ling
Über den Col de Fontfroide, der am Südrand des Zentralmassivs liegt, erreichten wir schnell das Tal des Orbs. Die höhenmeterreiche Südabfahrt bescherte uns dabei eine weitere Panoramaaussicht. Nun ging es zwar kurvenreich, aber doch gemütlich entlang des Orbs bis wir einen ganz besonderen Ort erreichten, den Tempel Lerab Ling.
In einer der schönsten und natürlichsten Gegenden nordwestlich von Montpellier in Frankreich befindet sich dieser prächtiger Tempel, der sich im Zentrum des tibetischen buddhistischen Retreat-Zentrums Lerab Ling befindet. In jeder Hinsicht ist der Tempel von der Kunst und Architektur der alten tibetisch-buddhistischen Klöster im Himalaya inspiriert. Total irre, inmitten der Natur, völlig surreal steht da dieser Tempel. Generell kann man den Tempel von innen nur zu bestimmten Zeiten besichtigen, von hingegen täglich ab 10 Uhr. Wir aber an diesem Tag nur aus der Ferne, da gerade eine sog. Convention stattfand und das Gelände weitläufig abgesperrt war. Weiterlesen …
Die Cevennen
Eine schier endlose karge Weite mit einer nicht enden wollenden langen Straße. Erinnerungen an unseren USA-Trip durch Arizona im Jahr 2017 kamen hoch. Fahrerisch nicht anspruchsvoll, aber von der Natur her sehr beeindruckend. Fahrerisch anspruchsvoller sollte dann die nächste Etappe werden als wir die Vis erreichten. Sie schlängelt sich zwischen den Klippen der Causse Blandas und dem Berg Séranne durch und gilt als einer der schönsten Flüsse im Zentralmassiv.
Cirque de Navacelles
Entlang ihrer 50 Kilometer gibt es eine Reihe von tollen Orten und Plätzen zu entdecken. Ganz an der Spitze der Sehenswürdigkeiten steht der „Cirque de Navacelles“ – eine ehemalige Flussschleife, die die Vis in den Kalkstein gegraben hat. Vom Aussichtpunkt „Belvedère de Blandas“ haben wir einen einmaligen Blick in den Talkessel und auf die Flussschleife. Die Straße in den Talkessel und auf der anderen Seite wieder hinauf ist steil und schmal – defintiv nichts für schwache Nerven. Aber auch landschaftlich setzt der „Cirque de Navacelles“ neue Maßstäbe auf dieser Reise.
25 Kilometer weiter bei Saint-Laurent le Minier überrascht uns dann die Vis mit einem traumhaften Wasserfall bevor sie bei Ganges in den Hérault mündet. Genau der richtige Ort für eine Pause und um den Adrenalinspiegel nach der rasanten Fahrt durch den Talkessel wieder zu senken.
Mont Aigoual
Der Tag war aber längst nicht zu Ende. Unser nächstes Ziel war der Mont Aigoual. Mit einer Höhe von 1567 Metern ist der Mont Aigoual der zweithöchste Berg der Cevennen. Gerade als wir im Tal abbiegen wollten, um die Anfahrt in Angriff zu nehmen, überraschte uns der Regen und der Mont Aigoual verschwand in einem Dickicht aus Wolken. Erst einmal Regenklamotten an und dann Krisenstab einberufen, Wetter App befragen und diskutieren. Nach ca. 10 Minuten hatten wir uns entschieden, nicht den Weg über den Mont Aigoual zu nehmen, sondern den direkten Weg zur Tagesunterkunft zu wählen.
Gerade als wir in die andere Richtung aufbrachen, riss der Himmel über dem Mont Aigoual auf und die Strecke vor uns verschwand in einem dunklen Dickicht. Spontan entschieden wir zu drehen und nun doch den Weg über den Mont Aigoual zu nehmen. Kilometermäßig machte es eh kaum einen Unterscheid, Höhenmetermäßig schon.
Während der Auffahrt änderte sich dann das Wetter hinter jeder Kurve und wir hatten wirklich alles an Wetter außer Schnee, was man sich nur vorstellen kann. So etwas hatten wir noch nicht gesehen: Regen, Sonnenschein, ein Regenbogen, der in allen Farben schillerte, kalt und warm. Die Krönung war dann aber der Nebel auf dem Mont Aigoual. Mit Nebel hatten wir zwar bereits erste Erfahrungen zu Beginn der Reise gemacht, aber hier sah man wirklich die Hand vor Augen nicht mehr. Deshalb sahen wir auch nichts von der letzten noch betriebene Berg-Wetterstation Frankreichs, welche oben auf dem Gipfel liegt. Der Gipfel ist nicht bewaldet und soll bei klarer Sicht einen 360 Grad Panoramablick gewähren, auch diese blieb uns natürlich verwehrt.
Gorges de la Jonte
Somit machten wir uns schnell an die Abfahrt über die D18, den Col de Fouques und dem Col de Perjuret, bei dem wir Richtung Osten in das Tal der Jonte abbogen. Hier erwartete uns wieder eine ganz andere Natur. Zwischen dem Causse Méjean und dem Causse Noir ist die Gorges de la Jonte mit rund 500 m Tiefe durch ihre wildromantische Unberührtheit beinahe genauso eindrucksvoll wie die bekanntere Gorges du Tarn. Der Fluss „Jonte“ entspringt auf dem Mont-Aigoual und bahnt sich in einer fast unwirklich anmutenden, ständig wechselnden Landschaftskulisse auf einer Länge von fast 40 Kilometern seinen Weg durch die Schluchten von Le Rozier nach Meyrueis.
Nachtquartier
Bei Le Rozier kam dann plötzlich die Abendsonne raus, die die Landschaft in einem fast surrealen Licht erscheinen ließ. Diese begleitete uns dann bis kurz vor Millau, wo wir unser heutiges Quartier erreichten. Dies war ein wunderschönes Mobilheim in einer Wohnparkanlage mit eigener Terrasse und einer fantastischen Aussicht auf die Brücke von Millau. Das 3-Gang-Abendessen im zum Wohnpark dazugehörigen Restaurant bildete dann den krönenden Abschluss dieses Tages. Nicht nur die Natur war heute so abwechslungsreich wie an keinem anderen Tourtag auf dieser Reise, sondern auch das Wetter. Für uns war das ein Tourtag, den wir wohl so schnell nicht mehr vergessen werden. Weiterlesen …